"We all have special needs"
Das fünftägige Seminar in Helsinki befasste sich schwerpunktmäßig mit der Frage, wie eine geeignete Lernumgebung für Schüler und Schülerinnen mit „special needs“ geschaffen werden kann. Der Begriff „special needs“ beinhaltet verschiedene körperliche und geistige Beeinträchtigungen, Verhaltensstörungen, Angststörungen Zwangsstörungen, Autismus, AD(H)S, und Persönlichkeitsstörungen.
Schade, dass all dies in der deutschen Sprache mit dem Begriff „Störung“ gekoppelt ist, das klingt sehr negativ und man sollte sich als Lehrkraft von Kindern mit besonderen Bedürfnissen nicht gestört fühlen!
Das Seminar war eine äußerst positive Erfahrung und bot mir viele neue Denkanstöße für den Umgang mit Schüler*innen mit Angststörungen, Depression, ADHS oder leichten Formen von Autismus und vertiefte mein Wissen hinsichtlich dieser Erkrankungen/Störungen. Besonders spannend fand ich die internationalen Begegnungen und er Austausch über unterschiedliche Systeme und Herangehensweisen, insbesondere die Tatsache, dass es in allen anderen Ländern eine „school nurse“ gibt, die den Lehrkräften eine großartige Unterstützung, sowie erste Anlaufstelle für z.B. Angststörungen, aber auch unzureichende Körperhygiene ist. Wir haben zum Glück Frau Winter, aber die meisten Regelschulen können hier auf keinerlei Ressourcen zurückgreifen.


Auch nach dem Seminar verblieben wir häufig noch viele Stunden in kleinen Gruppen, um uns auszutauschen. Das war äußerst inspirierend!
Manche Techniken aus dem Seminar waren mir bereits bekannt, einiges ging über die Anforderungen hinaus, die sich mir im Rahmen meiner Arbeit an der MWS ergeben bzw. stellen, so arbeiten wir beispielsweise nicht mit Kindern, die an schweren Formen von Autismus oder Downsyndrom leiden.


Ich sehe nun, dass wir an der MWS weitestgehend gute Bedingungen haben und bereits vieles umsetzen, um unseren Schüler*innen mit besonderen Bedürfnissen ein besseres Arbeiten zu ermöglichen. Auch das ist eine wichtige Erfahrung!
Darüber hinaus habe ich festgestellt, dass ich viele Ansätze/Techniken bereits im Unterricht anwende, so dass das Seminar auch viel Reflexion meiner Lehrerrolle und Bestätigung meines eigenen Arbeitens war. Das empfand ich als äußerst wertvoll, weil dafür im Unterrichtsalltag leider wenig Raum ist.


Einige Impulse lassen sich im meinem Arbeitsumfeld dennoch kaum bis gar nicht umsetzen, obwohl sie äußerst sinnvoll und hilfreich wären, was sehr schade ist. In Finnland hat die Gemeinschaft einen sehr hohen Stellenwert, so dass Gelder für Schulen und Bildung anders verteilt sind. Die Schulen verfügen über ein eigenes, wesentlich höheres Budget, über das sie selbst entscheiden können.
Da es in Finnland gesetzlich verboten ist, Geld von den Eltern einzuziehen (sei es für Klassenfahrten oder Schulmaterial), werden viele Lehrkräfte sehr kreativ, wenn es um die Beschaffung von Ausstattung geht. Die Eltern dürfen Spenden, aber viele Klassen sammeln auch Geld durch Aktionen ein, indem sie Selbstgemachtes verkaufen o.ä.. Die Idee dahinter ist, dass kein Kind aufgrund seiner Herkunft abgehängt werden soll und das gelingt in Finnland sehr gut.


Andere Impulse aus dem Seminar möchte ich unbedingt weiter in meinen Unterricht integrieren. Ich möchte mehr in persönlichen Kontakt mit den Bedürfnissen der Schüler*innen treten, mehr Zeit für Wohlbefinden im Klassenzimmer, Bewegung und persönliche Weiterentwicklung abseits der fachlichen Ebene aufzuwenden.
Kurz: Mensch vor Curriculum
Regelmäßiges Aufstellen von individuellen SMART-goals, sowie regelmäßiges Feedback soll hierbei ein erster Schritt sein. Die SMART-goals können sich auf den Unterrichtsinhalt, aber auch auf allgemeine Inhalte beziehen. Dadurch möchte ich ganzheitlicher mit meinen Schüler*innen arbeiten, um sie mehr in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen und eine positive Lernatmosphäre zu schaffen. Dabei werde ich mich aber zunächst auf meine eigene Klasse beschränken.
Dies kommt nicht nur den Schüler*innen, sondern auch der Lehrkraft im Klassenzimmer zu Gute und ist im finnischen Schulsystem tief verankert.
Insgesamt war es eine äußerst bereichernde Woche auf ganz vielen Ebenen.
Sarah Mehlhart