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Ein Tag im Kurs „Becoming a trauma responsive educator“

Vom 3. – 7. Juli 2023 nahm ich gemeinsam mit Frau Schulze-Winkmann an der Fortbildung „Becoming a trauma responsive educator“ im idyllischen Crosshaven in Irland teil. Der Kurs wurde von Marie Delaney, welche Lehrerin und Ausbilderin, Schulpsychologin und Autorin ist, und Lisa Mc Sherry, die als Wissenschaftlerin in der medizinischen Forschung tätig ist, geleitet.

Im Vordergrund stand die Frage, wie wir eine physisch und psychisch sichere Lernumgebung schaffen können, die den Bedürfnissen von Schülern/innen mit traumatischen Erfahrungen gerecht wird. Hierfür ist es zunächst wichtig zu erkennen, welche Schüler/innen von traumatischen Lebenserfahrungen und Widrigkeiten betroffen sind, um dann effektiv und flexibel auf ihre individuellen Bedürfnisse eingehen zu können. Wir befassten uns daher mit Aspekten aus den Bereichen der Neurowissenschaften, der Bindungstheorien und der Achtsamkeit.

Am ersten Tag setzten wir uns mit der Definition und den unterschiedlichen Ausprägungen des Begriffs Trauma auseinander: Wie ein Trauma entsteht, welche Indikatoren darauf hindeuten, dass Schüler/innen davon betroffen sind und welche Auswirkungen es auf das Gehirn, das Lernen und das Verhalten hat.

Mit praktischen Beispielen und anschaulichen Übungen zeigten Lisa und Marie uns, was genau mit unseren Hormonen und in unserem Gehirn passiert und wo bestimmte Reaktionen und unbewusste Abwehrmechanismen (z.B. fight, flight, freeze, flock, fawn) im Gehirn zu verorten und wie sie zu erklären sind. Die Struktur und Funktion wichtiger Gehirnareale wird durch Stress und einen damit einhergehenden Anstieg der Cortisolwerte beeinträchtigt, daher weisen Kinder mit traumatischen Erfahrungen oft Lern – und Konzentrationsschwierigkeiten auf oder fallen häufig durch störenderes Verhalten im Unterricht auf.
Interessant war vor allem die Unterscheidung zwischen ADHS und Hypervigilanz, welche auf den ersten Blick dieselben Symptome aufweisen, allerdings ganz anderen Ursachen zugrunde liegen.

Weitere wichtige Gesichtspunkte, denen wir uns widmeten, waren die Steigerung der Resilienz von Schülern/innen und Lehrkräften sowie die schützenden Faktoren, die das Risiko der Entwicklung starker Symptome verringern oder die Besserung unterstützen.
Erst seit der Pandemie ist der Bedarf an Trauma informierter Bildung in den Vordergrund gerückt, allerdings bestand das Problem in anderer Form bereits vorher.

Abschließend sprachen wir darüber, wie sich all das auf die Lehrkräfte auswirkt und erkannten, wie wichtig es ist, auch auf die eigene Gesundheit zu achten und sich von den Gefühlen anderer distanzieren zu können, diese nicht „an sich haften zu lassen“, sondern sich stets zu fragen: „Whose feelings are these?“ Der Druck, dem wir Lehrkräfte ausgesetzt sind, muss reguliert werden, denn nur dann können wir auch anderen helfen: „Be a regulated adult to co-regulate a child.“ Hierbei ist vor allem die Zusammenarbeit mit und die Unterstützung durch Therapeuten sehr wichtig, denn, um es mit Maries Worten auszudrücken, „You are part of your students’ best chance.“

Marie und Lisa war es stets wichtig, das theoretische Wissen mit der Praxis im Schulalltag zu verknüpfen und Bezüge zum Lehren, Lernen und Verhalten der Schüler/innen herzustellen, sodass wir den Kurs mit zahlreichen praktischen Tipps, Techniken und Strategien für den Umgang mit betroffenen Schülern/innen beenden konnten und schweren Herzens das schöne Crosshaven und das trendige Cork („Die wahre Hauptstadt Irlands“, wie die Einheimischen es nennen) verlassen haben mit dem Versprechen, bald wiederzukommen und in Kontakt zu bleiben.

Nikolina Domazet

 

„Our schools today need to show young people how to develop, nurture and repair relationships, and to recognize that this is the key not only to good learning environments, but also to managing successfully in their wider lives and in society.“ (Delaney, Marie (2009) Teaching the Unteachable
London: Worth Publishing, p. 194.)

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