Ein Blick in das finnische Schulsystem: „Cultivating happy, healthy, inspired people” (Kate Field)
Vom 28.1 -3.2.2022 haben meine Kollegin Frau Schulze-Winkmann und ich an der Fortbildung „LIFE 2022- Shadowing Experience-Learning and Teaching Together“ in Finnland teilgenommen. Unser vielfältiges Programm umfasste tägliche Expertenvorträge, Grupppenarbeitsphasen zum Thema Team Teaching, Museums- und Schulbesuche sowie zahlreiche Outdooraktivitäten z.B. Eisschwimmen und Schneeschuhwandern (bei -26 Grad!).
Die ersten zwei Tage verbrachen wir in Helsinki, wo uns die Bildungsmesse EDUCA einen Einblick in das inspirierende finnische Schulsystem ermöglichte: „The purpose of the educational system in Finland seems less about preparation for future success, and more about designing responsible human beings” (Kate Field). Die Kompetenz, sich um sich selbst kümmern zu können und die täglichen Anforderungen meistern zu können, steht hierbei im Vordergrund, jeglicher Wettbewerbsgedanke liegt den Finnen fern und genau das, sagt Jussi Kainulainen, sei das Geheimnis ihres Erfolges: „We have never wanted to be the best and that’s how we have become the best.“
„Our students’ overall wellbeing is the foundation for well learning. […] Everything is based on trust and responsibility” (Leena Heinilä). Um dieses Wohlbefinden zu erreichen, wird in Finnland viel Wert auf Unterricht in freier Natur gelegt, vor allem im Bereich der frühkindlichen Erziehung und Bildung. So lernen Kinder bereits früh, sich sicher im Wald zu bewegen und bauen eine Bindung zur Natur auf.
In Rovaniemi, unserem zweiten Veranstaltungsort, angekommen, konnten wir durch die Teilnahme am Projekt „Die Welt der Bäume“ an der Ounasrinteen Schule selbst Outdoor-Unterricht erleben.


In Finnland wird sehr viel Wert auf „hands on learning“ gelegt, sodass der jährliche Instruktionswert niedrig gehalten wird. Auch wir durften an einem Spiel (eine Art „Völkerball“) teilnehmen, bei welchem wir in die Rolle von Bäumen in unterschiedlichen Wachstumsphasen (seed, sprout, sapling, adult tree, old shag) schlüpfen sollten, diese waren durch unterschiedliche Bewegungsarten gekennzeichnet. Durch einen Wettkampf mit anderen „Bäumen“ konnte man das Wachstum beschleunigen oder eine Entwicklungsstufe zurückfallen. Wenn der/die Holzfäller kam/en, mussten „Bäume“ in bestimmten Wachstumsphasen Schutz suchen. Erst im Anschluss wurde das hier Dargestellte besprochen und erläutert. Als Nächstes zeigte Kimmo, unser Projektleiter, uns einige mathematische Tricks, um die Höhe von Bäumen zu berechnen. Aber das Beste sollte noch kommen: ein Waldspaziergang. Nun sahen wir die im Spiel erwähnten Bäume in der Natur. Dies weckte unsere Neugier und konkretisierte das zuvor Gelernte. Theorie und Praxis wurden hier miteinander verbunden. Ziel unserer abendlichen Wanderung war eine kleine Holzhütte, vor welcher ein kleines Feuer einladend leuchtete. In einem Kessel wurde hier das Wasser für den Kaffee und leckeren Zitronentee gekocht, den wir bei einem gemeinsamen Austausch ums wohlig wärmende Lagerfeuer genossen. Hiernach traten wir den frostigen Rückweg mit Taschenlampen an. Die gesamte Kulisse mit den schneebedeckten Bäumen, den zahlreichen geheimnisvollen Waldwegen, dem zauberhaften Kessel und der geselligen Lagerfeuerrunde erinnerte sehr an Szenen aus der Märchenwelt der Moomins, sodass man trotz eintretender Dunkelheit sowie eingefrorener Wimpern und Augenbrauen gerne noch dort verweilt und den Wald erforscht hätte.


Deutlich wurde uns, dass in unserer modernen und hektischen Gesellschaft die Natur mit ihrer therapeutischen Wirkung als Ort des Lernens und der Ruhe vernachlässigt wird. Dabei bietet sie Raum für Kreativität, wo unsere moderne Umgebung oft das Gegenteil bewirkt.
Auch auf das Sozialverhalten wirkte sich das Lernen in der Natur positiv aus. Bei unserem Waldspaziergang ist aufgefallen, dass alle Teilnehmer miteinander kommuniziert haben. Jeder wurde einbezogen. Anders als im Seminarraum, wo meist kleinere Gruppierungen vorherrschten, kam man hier miteinander ins Gespräch und lernte einander kennen.
Wir sind zum Schluss gekommen, dass die Pandemie, die uns zum Umdenken gezwungen und dazu genötigt hat, virusfrei Lernorte zu finden, auch etwas Positives bewirkt hat: Die Natur wurde als Lernort wiederentdeckt und erfuhr eine Aufwertung.
Nicht ohne Grund wählten 80 Teilnehmer/innen Lappland als Ort ihrer Fortbildung mit seinem pastellfarbenen Himmel, den Wintermärchenwäldern und weiten Landschaften. Auch wir entschieden uns für die Natur als Lernort und folgten den Meldungen unserer Aurora Borealis Apps sogar noch morgens um 5, um die Nordlichter neugierig zu erkunden.
Mit einem Koffer voller besonderer Erfahrungen, bleibender Eindrücke und inspirierender Ansätze machten wir uns auf den Weg nach Deutschland, um auch dort glückliche, gesunde und inspirierte Menschen auszubilden.
Nikolina Domazet
„Finns appear to […] boil everything down to its very essence in a way that is uniquely Finnish. I realize Finns appreciate designs that are close to nature, because nature is good- and it is our nature to be good as well. I believe this may be why Finns have such deep appreciation for the natural world; when we are most in tune with nature, we are also most in tune with our own goodness.”
Eija Ruohomäki