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Vom 15. bis 19. Mai 2023 durfte ich den Erasmus-Fortbildungskurs „Identifying Barriers to Learning“ in Barcelona besuchen.

An dem Kurs nahmen 20 TeilnehmerInnen aus 9 verschiedenen Ländern und verschiedenen pädagogischen Berufen teil, darunter überwiegend LehrerInnen, zwei Hochschullehrer, Sozialarbeiterinnen und Therapeutinnen, die vielfältig interessante Erfahrungen aus ihren jeweiligen Berufsfeldern einbrachten.

Thematisch standen als „barriers to learning“ Dyslexie, Dyspraxie, Dyskalkulie und AD(H)S im Fokus. Unsere Kursleiterin Jacqui Ashton Smith brachte aber auch Aspekte aus ihrem Forschungsgebiet Autismus ein, wobei es sich meist um angeborene, zu einem großen Anteil ererbte neurologische Dispositionen handelt.

Christine Präckel, die den gleichen Kurs 2022 besuchte, gibt in ihrem Kursbericht eine sehr anschauliche Beschreibung der behandelten Phänomene, auf die ich im Einzelnen daher nicht genauer eingehe.

„Identifying Barriers“ bedeutete nicht, Diagnosen stellen zu lernen. Es ging darum, einen differenzierteren Blick auf Lernprobleme und auf sich daraus ergebende soziale und psychische Probleme unserer SchülerInnen oder KlientInnen zu gewinnen. Wichtig ist dabei zu berücksichtigen, welch großes Spektrum an Ausprägung es bei den einzelnen Lernproblemen gibt und dass sie auch in Kombinationen auftreten können. Daher bekamen wir immer wieder Gelegenheit zu reflektieren, welche Anzeichen wir in unserer beruflichen Praxis bereits beobachten konnten und trugen Erfahrungen zusammen, welche Hilfestellungen sich jeweils bewährt haben.

 

Besonders spannend und oft lustig war es, in praktischen Übungen unsere eigenen Grenzen auszutesten und wir erfuhren, wie in alten Kinderspielen oft grundlegende Fähigkeiten geübt werden.

So waren wir alle nicht mehr auch nur ansatzweise in der Lage, unsere eigenen Namen zu schreiben, wenn wir gleichzeitig das linke Bein über das rechte geschlagen hatten und mit dem Unterschenkel einen Kreis beschreiben sollten! Auch die Weitergabe einer Münze mit einem Finger von Nachbar zu Nachbar erwies sich als schwieriger als gedacht!

Wichtig finde ich zwei Aspekte, die uns Jacqui besonders ans Herz legte:

Zum einen, dass es eine Frage echter Chancengleichheit ist, im Unterricht mögliche Lernbarrieren unserer Schüler in Betracht zu ziehen und durch ein vielfältiges methodisches Angebot und praktische Tipps Lernen zu erleichtern oder gar erst zu ermöglichen: Bei Dyslexie ein Lineal beim Lesen zu Hilfe zu nehmen oder bei Dyskalkulie die Finger oder einen Taschenrechner beim Rechnen, sollte in gleicher Weise akzeptiert sein, wie das Benutzen einer Brille bei Fehlsichtigkeit.

Der andere Aspekt betrifft ebenfalls eine positive Sicht auf die von Lernbarrieren betroffenen Menschen: Auch wenn oft eine Krankheitsdiagnose nötig ist, etwa um Notenschutz zu bekommen,

sollte der Fokus auf den Potenzialen liegen: Jacqui regte an, „Neurodiversität“ als wirkliche Chance zu sehen und wertzuschätzen. Sie wies auf Erfahrungen hin, dass Arbeitsgruppen die bewusst Menschen mit neuronalen Handicaps integrierten, besonders innovativ sein können und fragte, welche Gehirne wohl die Probleme der Zukunft der Menschheit lösen werden.

Zu Fuß zu gehen als Training für Körper und Geist, wurde uns für die Nachmittage besonders ans Herz gelegt! Eine besonders schöne Aufgabe im wunderbaren und hügeligen Barcelona! Ein Wettbewerb, wer die meisten Kilometer läuft, wurde gleich am ersten Tag gestartet.

Mein Defizit, das mir der Besichtigungsstart mit einer Stadtrundfahrt einbrachte, versuchte ich allerdings nicht mehr aufzuholen, insbesondere um nicht kulturelle (Konzert im Palau de la Música Catalana/ ausgiebige Besichtigungen der Häuser Gaudis!) und kulinarische Vorzüge (u.a. Heiße Schokolade!) Barcelonas zu versäumen. Ich blicke dankbar und mit Freude zurück auf eine pädagogisch-fachlich, menschlich und kulturell äußerst bereichernde und inspirierende Zeit.

Gudrun Deutsch

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