Identifying barriers to learning – Special education needs“ Lernbarrieren erkennen – sonderpädagogische Bedürfnisse Masterclass, Barcelone, Spain
„Vom 16. bis 20. Mai nahm ich an der Fortbildung „Identifying barriers to learning – Special education needs“ zusammen mit 14 weiteren Teilnehmer*innen aus Estland, Litauen und Deutschland in Barcelona, Spanien teil.
Unsere Seminarleiterin Dr. Jacqui Ashton Smith, die seit 35 Jahren in dem Bereich Pädagogik mit Schwerpunkt Autismus forscht und lehrt, führte uns in verschiedenen Lernbeeinträchtigungen ein und ließ uns an ihrem reichen Wissen und Erfahrungen teilhaben.

Neurologische Diversität
Noch nie war die Welt so divers wie heute in Hinblick auf Weltanschauung, sexueller Identität oder sozialer Herkunft. Doch was ist mit der „neurologischen“ Diversität? Jeder nimmt die Welt andres wahr, denkt anders und – als Konsequenz daraus – lernt auf eine andere Weise.
Versuchen Sie NICHT das Wort zu lesen, sondern nennen Sie die FARBE des Wortes

Linkshänder*innen, die eher mit der rechten, kreativen Gehirnhälfte arbeiten, sollte die Aufgabe leichter fallen als Rechtshändern, deren linke, analytische Gehirnhälfte vorrangig ist. Schule fragt normiertes Wissen ab.
Den meisten Schülern*innen gelingt es, das zu erfüllen. Aber was ist mit Kindern, die aus der Norm fallen? Kinder, die trotz wiederholtem Üben immer und immer wieder die gleichen Wörter falsch schreiben (Dyslexie), die auch kleine Mengen abzählen müssen (Dyskalkulie) oder denen es unmöglich ist, längere Zeit still zu sitzen (ADHS)?

Wenn Schule das verbriefte Recht auf Bildung für alle Kinder umsetzten will, müssen wir uns fragen, was die Ursachen sind, wie diese Kinder denken und welche Unterstützung sie beim Lernen brauchen.
Spezifische Lernbarrieren
Kinder mit Dyslexie, Dyskalkulie und ADHS/ADS haben häufig eine genetische
Vorbelastung. Statistisch sind mehr Jungen als Mädchen betroffen. Diese Kinder haben keine verminderte Intelligenz (!), sondern verarbeiten Infos auf eine andere Weise und in anderen Bereichen des Gehirns. Sie sind nicht faul oder geben sich nicht genügend Mühe, sondern strengen sich enorm an, um „normal“ zu sein. Sie leiden selber unter ihrer Beeinträchtigung, erleben Schule als frustrierend und belastend und haben geringere Bildungs- und Berufschancen
Dyslexie (Lese-Rechtschreib-Schwäche)
10% der Bevölkerung hat eine Dyslexie, d.h. ca. 3 Kinder einer Klasse – mal
schwach, mal stark ausgeprägt. Dyslexie betrifft den gesamten Unterricht, denn in (fast) allen Fächern wird gelesen und geschrieben.
Kinder mit Dyslexie lernen häufig erst mit 2 oder 3 Jahren Sprechen, lesen stockend, schreiben Buchstaben verkehrt herum, verwechseln Buchstaben innerhalb eines Wortes oder Wörter innerhalb eines Satzes, haben anhaltende Probleme mit der Rechtschreibung und ermüden schnell, denn Lesen und Schreiben erfordert ihre ganze Konzentration.
So sieht ein Kind mit LRS vermutlich Schrift:


Dyskalkulie (Rechenschwäche)
Vielen Menschen macht Mathe kein Spaß. Kinder mit Dyskalkulie aber haben ein grundlegendes Problem mit allem, was mit Zahlen zu tun hat. Sie haben kein „Bild“ von Mengen, sondern müssen mit Fingern abzählen, sie können keine analoge Uhr lesen, verstehen keine Fahrpläne, haben kein Gefühl dafür, wie viel etwas kostet und welchen Betrag sie als Wechselgeld bekommen und sie haben keine räumliche Vorstellung und verwechseln rechts und links.
Finden Sie die Zahlen von 1 bis 54 …
...ohne Struktur

... mit Struktur

ADHS/ADS

Kinder mit ADHS/ADS könnenSinneseindrücke nicht „filtern“, sondern nehmen alles gleichzeitig und gleich intensiv wahr: die Stimme des Lehrers, die Bewegungen im Klassenraum, die Geräusche durch das geöffnete Fenster.
Sie sind unruhig, impulsiv und unaufmerksam (ADHS) oder verträumt, langsam und unkonzentriert (ADS). Zu den schulischen Problemen von „Zappelphilipp“ und „Hans-guck-in-die-Luft“ kommen oft soziale hinzu, denn ADHS/ADS-Kinder können beim Spiel nicht (ab)warten, unterbrechen oder platzten in Gespräche hinein oder halten sich nicht an die Regeln der Gruppe.
Was hilft Kindern mit Dyslexie, Dyskalkulie, ADHS/ADS?
Kinder mit Beeinträchtigungen beim Lernen brauchen Lehrer*innen, die sich in ihre Art zu denken, einfühlen können, sie brauchen Struktur und Regeln, Methoden, die alle Sinne ansprechen, Aufgaben, die ihrem Lerntempo und Konzentrationsvermögen angepasst sind und Strategien, sich selbst zu helfen. Und sie brauchen viel Lob!
Eigentlich alles, was jedem Kindern beim Lernen hilft.
Vision
Es gibt kein richtig oder falsch, sondern nur ein anders! Was, wenn Schule Kinder mit einer Dysfunktion im Lernen nicht als Schüler*innen wahrnimmt, die in einer „schlechten oder krankhaften Weise von der Norm abweichen“, sondern einfach als eine andere Möglichkeit, die Welt zu sehen und zu lernen?
Sind wir nicht alle (neurologisch) divers?
Wussten Sie das diese Menschen eine Lernbeeinträchtigung (Dyslexie) haben?

Christine Präckel